Es hilft, wenn man die Existenz des Schrecklichen anerkennt, die Verantwortung übernimmt und das Geschehene ins öffentliche Bewusstsein bringt. Ein Weg dazu sind die Stolpersteine, die den Opfern des Nationalsozialismus ihre Individualität zurückgeben und sie, zumindest symbolisch, wieder in die Gemeinschaft der Deutschen eingliedern, sie, die aus bösem Willen ausgestoßen, gequält und ermordet wurden.
Am 19.03.2019 wurden in der Liebigstraße 155 sieben Stolpersteine für die Familie Kempler verlegt, wobei für drei das BKE die Patenschaft übernahm. Von dieser siebenköpfigen Familie überlebten nur zwei Mitglieder. Eine Tochter der Familie, Frieda Kempler, floh, wurde nach Kriegsende befreit, emigrierte in die USA und baute sich dort ein neues Leben auf. Der Sohn Frieda Kemplers, Darryn Weinstein, wohnte mit seiner Frau Amy der Verlegungsfeier bei. Anwesend waren neben den Angehörigen und den mit dem Projekt befassten Klassen des Berufskollegs auch Vertreter des NS-Dokumentationszentrums und die Paten der weiteren Stolpersteine. Es war ein bewegendes Ereignis, das durch Reden der Schüler, angehender Erzieher, moderiert und strukturiert wurde. Jedem Mitglied der Familie Kempler wurde gedacht. Es wurde deutlich, dass sich unsere Schüler, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Verantwortung als Deutsche bewusst waren und die Verbrechen des Nationalsozialismus reflektiert hatten. Auch die Schüler der Imam-Ausbildung des Berufskollegs waren anwesend. Die Sonne schien.
Am Schluss wurde aus den mitgebrachten roten und weißen Rosen auf dem Bürgersteig um die Stolpersteine herum ein Haus gebildet, das die Stolpersteine für die Mitglieder der Familie Kempler umschloss: ein Rosenhaus in Köln für Josef Markus Kempler, Jachet Johanna Kempler, Frieda Kempler, Nora Kempler, Isaak Kempler, Willi Kempler und Elie Alex Kempler.
Anschließend erzählte Mr. Weinstein in der Aula des Berufskollegs vom Schicksal seiner Mutter. Nach ihrer Flucht, die sie im jungen Alter von 14 Jahren unternahm, gelang es ihr zunächst, sich zu verstecken, später allerdings wurde sie nach Theresienstadt deportiert, wo die Alliierten sie befreiten. Bedrückend: Aufgrund der Umstände dieser Flucht hat die Familie nicht nur die Ermordung der Familienmitglieder zu verkraften, sondern auch das Fehlen sämtlicher Erinnerungsstücke wie Fotos oder persönliche Gegenstände. Charmant: Dennoch bleibt manches, zumindest im Herzen: Frieda Kempler amüsierte ihren Sohn z.B. mit dem Lied „Hoppe hoppe Reiter“ – was er lachend schilderte. Sie, die sich trotz des ihr angetanen Unrechts auch später als Deutsche identifizierte und stolz auf ihre Herkunft war, erwies sich so als Botschafterin deutscher Alltagskultur.
Bei der Fragerunde am Schluss hatten Mr. Weinstein und seine Frau Amy unseren Erziehern einiges zu sagen. Das Schlechte zuerst: Der Fleck, der Schmerz, lässt sich kaum abwaschen. Auch wenn von uns Heutigen niemand persönliche Schuld an den Verbrechen der Nationalsozialisten trägt, vergisst die Welt nicht.
Aber dennoch soll man nicht den Mut verlieren. Die heutige junge Generation ist die Generation der Heiler. Sie hat genug Abstand, um zu wissen, was war und wie es dazu kam und sie ist gebildet genug, um sich Gedanken zu machen, wie Mord und Unrecht in Zukunft verhindert werden können.
Aber dazu ist nicht nur guter Wille nötig, sondern auch ein gesundes Maß an Wehrhaftigkeit.
Im Anschluss an das Programm gingen noch SchülerInnen des BKE zum Domradio, welches einen Beitrag zur Stolpersteinverlegung ausstrahlte und in dem die SchülerInnen Ihre Eindrücke des Tages geschildert haben. Abrufbar ist dieser gelungene Beitrag unter: https://www.domradio.de/node/311210.
Wir danken Herrn Weinstein und seiner Frau für die ehrliche Beantwortung unserer Fragen.